Sind wir Freunde?
Sie treffe sich mit ihrer Jugendcliqué “Forever Friends”, sagt mir meine Freundin, deshalb könne sie nicht mit mir ins Kino. Mit allen aus der Gruppe wäre sie aber nicht mehr so eng befreundet, würde sie sie heute kennenlernen, schiebt sie noch nach.
Wieso gehst du dann noch an die Treffen mit allen “ForeverFriends”, denke ich und rolle mit den Augen. Wir sind am Telefon, da darf ich genervt an die Decke blicken.
Ich telefoniere nicht gern
Ich telefoniere nicht gern. Oder eher: Ich telefoniere gern ab und zu, aber lieber nicht zu viel. Das habe ich meiner Freundin aber noch nie erzählt. Dass ich die Augen rolle wegen dieser “ForeverFriends” Freundschaft habe ich ihr auch noch nie erzählt. Ich bin nicht immer ehrlich zu meinen Freund:innen.
Dass mir bei Gruppennamen ein Schauer über den Rücken läuft, muss meine Freundin aber auch nicht unbedingt wissen. Ich mag diese Namen nicht, vielleicht, weil sie demonstrativ eine Einheit bilden, zu der ich nicht gehöre. Aber auch, weil sie so starr und unveränderlich wirken und sie vor über zwei Jahrzehnten von 15-Jährigen in der Schulpause ausgedacht wurden. Langjährige Freundschaften können sehr bereichernd und wunderschön sein. Oder ein Klotz am Bein? Kommt halt ganz auf die Erwartungen an.
Von Monogamie bis Ghosting
Aber was erwarten wir eigentlich genau von Freundschaften?
Monogamie scheint kein wichtiges Kriterium zu sein. Und sonst? Ich habe Freund:innen, die mir seit über zwei Jahrzehnten nahe sind und mit denen ich immer noch sehr gerne Zeit verbringe. Ich habe Freundschaften, die sich einseitig anfühlen, die ich aber nicht gehen lassen möchte. Manche Freund:innen sehe ich einmal im Jahr, aber es fühlt sich jedes Mal gut an. Mit manchen tausche ich sporadisch Textnachrichten aus, andere sehe ich im Monats- oder sogar Wochentakt.
Über die Jahre hatte ich Freundschaften, die schön waren, aber vergangen sind. Mindestens eine war besitzergreifend und rückblickend wohl toxisch. Manche Freund:innen haben sich nicht mehr gemeldet, wir haben uns einvernehmlich geghostet. Bei einer habe ich einen klaren Schlussstrich gezogen. Und mit mir wurde auch schon „Schluss gemacht“.
Es ist kompliziert
Worauf will ich hinaus?
Freundschaften sind grossartig, wichtig, kompliziert. Ich kann sie beim besten Willen nicht definieren, aber meine eigenen Erwartungen sollte ich besser mitteilen. Telefonieren und Gruppennamen sind nämlich nicht das einzige, das ich nicht mag. Partys sind auch nur manchmal mein Fall. Ich vergesse Geburtstage und kann keine guten Geschenke auswählen. Und ich wäre gern „ForeverFriends” – für immer befreundet – mit meinen Freund:innen, aber bitte lasst uns nie ein Wort darüber verlieren.
Isabel Zumofen