Perfekte Eltern

«Es gibt zu jeder Meinung einen Ratgeber».

Hebamme einer Freundin

Mein Baby ist jetzt fast acht Monate alt. Auf einem unserer Spazierwege begegnen wir manchmal einer Frau, die eine ausgesprochene Abneigung gegen Babytragen zu hegen scheint. Dies tut sie auch kund. Ungefragte, kritisierende Kommentare zu mir und meinem Kind sind eher die Ausnahme. Aber es gibt sie und ich bin je nach Tagesform gleichgültig, verwundert oder – leider – verunsichert. 

Ach, du stillst (nicht/noch)?

Die Liste an emotional diskutierten und kommentierten Babythemen ist lang: Neben Babytrage und Kinderwagen: Stillen oder das Fläschchen geben. Das Baby im Elternschlafzimmer oder im eigenen Zimmer schlafen lassen. Nuggi oder kein Nuggi. Undsoweiter. 

Ziemlich harmlos… oder? Mich störts auf jeden Fall nicht grundsätzlich, darüber zu reden. Sobald aber die ungefragten Bewertungen starten, versuche ich auf Durchzug zu schalten. Was geht es dich an, denke ich mir. Wo bleibt die Gelassenheit? Davon kann ich als frischgebackene Mutter am meisten brauchen. 

Einfach den Durchschlafknopf gedrückt halten

Sowieso gehen mir die diversen Tipps auf die Nerven. Gäbe es ein Patentrezept, müsste das Internet nicht voll sein von wild wuchernden und sich komplett widersprechenden Ratschlägen an junge Eltern. Bei mir entsteht beim Lesen häufig der Eindruck, als wären Kinder Maschinen. «Drücken Sie nun zwei Mal auf den Durchschlafknopf und halten sie ihn anschliessend während zehn Sekunden gedrückt.». Wenn ich lange genug drücke, wird das Kind schon tun, was ich möchte. 

Klappt es auch schön, gibt es das erste gesellschaftliche Abzeichen guter Leistung im Babyleben: das Durchschlaf-Abzeichen. Falls es nicht funktioniert, sind die Eltern schuld. So dürfen sie müde sein und an sich selbst zweifeln. Oder das Baby ist schuld, vielleicht ist es nicht ganz normal? Besser kurz googeln, um sicher zu sein. 

Das Patentrezept

Die angeblichen Patentrezepte fangen beim Nuggi an, hören da aber noch lange nicht auf. Was ist mit der Erziehung oder dem Familienmodell? Da kann man gefühlt nämlich verdammt viel kaputt machen an der «Maschine» Kind. Als Eltern. Als Vater. Als Mutter sowieso. Was auch immer wir tun. Es ist falsch. Frag das Internet. Oder wart einfach auf die Kommentare von Leuten auf der Strasse. 

Wem das noch nicht genug ist, kann sich seinem Bauch widmen oder seinem Hintern und ob der drei Tage nach der Geburt wieder in die alten Hosen passt. Damit auch niemand gekränkt ist beim Hinsehen? 

Nicht zuhören, nichts lesen, sagt mir mein Mann oft. Das tönt vernünftig. Aber auch schwierig, wenn dir jemand ungefragt ins Ohr brüllt. 

Trotzdem versuche ich es. Bei mir selbst mit der Gelassenheit anfangen. Mir die Tipps den Buckel runterrutschen lassen. Selbst nicht verurteilen. Einatmen, ausatmen. Jemand findet’s so oder so scheisse. 

Oh, das Baby schreit… schnell die Babytrage umschnallen. Oder doch die Poussette nehmen? Und tschüss. 

Isabel Zumofen